Konfliktlösung im Projektmanagement - aber richtig

👋 Schön, dass Du hier bist! Bitte beachte, dass dieser Artikel bereits einige Jahre auf seinem Buckel hat. Seitdem haben sich nicht nur die Welt, sondern auch meine Wissenslücken, Erfahrungen und Ansichten geändert. Dennoch stehe ich hinter den Aussagen, die ich damals getätigt habe. Selbst dann, wenn ich sie mittlerweile anders tätigen würde. Bitte behalte dies beim Lesen im Hinterkopf. Danke. Und viel Vergnügen!

Wie ich Konflikte innerhalb eines Team erkenne und zukunftssicher löse.

Konfliktmanagement im Projektmanagement

Wir Projektmanagerinnen und Projektmanager soll(t)en ja 90% unserer Arbeitszeit mit Kommunikation verbringen. Und ich behaupte, von diesen 90% sollten wir mindestens ein Drittel für das Lösen von Konflikten investieren. Das klingt nach viel, ich weiß. Aber jeder Konflikt, den wir lösen, bevor er hochkocht, spart uns hinten raus unendlich viel Zeit, Nerven und vor allem Geld. Denn warum scheitern Projekte? Meiner Erfahrung nach sehr häufig, weil es zwischenmenschlich happert.

Konfliktmanagement ist eine Wissenschaft für sich. Und wenn wir als Projektmanager erfolgreich sein wollen, müssen wir in der Lage sein, Konflikte ordentlich aufzulösen. Aber welches Modell ist das beste? Und wie mache ich das, ohne mich allzu tief in die Theoretik zu begeben?

Ein Blick ins Lateinbuch #

Schauen wir uns mal an, was ein Konflikt überhaupt ist. Ein Blick ins Lateinbuch schadet in so Fällen nie: das Wort Konflikt kommt vom lateinischen confligere. Und das bedeutet so viel wie "zusammentreffen, kämpfen". Da steckt schon sehr viel Wahrheit drinnen. Konflikte habe ich überall, wo Ziele oder Interessen zweiter Personen oder Personengruppen unvereinbar sind. Und das kommt in Teams natürlich sehr häufig vor.

So ein Konflikt birgt einerseits viel Risiko, andererseits aber auch viel Potential in sich. Risiko dann, wenn ich ihn als Projektleiter nicht rechtzeitig auflösen kann und er so hochkocht, dass er meinen Projekterfolg gefährdet. Wenn ich einen Konflikt aber gut auflösen kann, kann er einige kreative Energie und Bewegung in mein Projekt hinein bringen.

Von Ausnahmesituationen #

Bevor wir uns Konfliktlösungsideen anschauen, gibt es noch einen Punkt, den wir nicht übersehen dürfen: ein Projekt ist für die meisten daran Beteiligten eine wahnsinns Stresssituation. Requirements schwirren herum, Deadlines fliegen uns um die Ohren, the shit hits the fan, wie die Angoamerikaner so schön sagen. Das ist auch im agilen Projektumfeld nicht anders. Und das ist etwas, das wir gestählten Projektarbeiter ganz gerne übersehen: Projekte sind Ausnahmesituation für die meisten Menschen. Das bedeutet, mein Standard Konfliktlösungs-101 wird mir da nicht viel weiterhelfen. Weil Menschen im Stress ganz anders - meist aggressiver - reagieren, als in Normalsituationen.

Evolution von Konflikten #

Konflikte werden gerne in mehrere Evolutionsstufen eingeteilt. Ich finde - gerade im Projektumfeld - die fünf Level von Speed Leas genau richtig granuliert (das PMI sieht das übrigens genauso). Vor allem, weil sie sehr lösungsorientiert sind.

  1. Ein Problem, das es zu lösen gilt
    Weniger auf Personen, sondern mehr auf Probleme fokusiert.
  2. Eine Meinungsverschiedenheit
    Vermischung von persönlichen und sachlichen Motiven.
  3. Wettstreit
    Jetzt geht es um siegen oder verlieren. Um die Konfliktparteien bilden sich Fraktionen.
  4. Kampf / Flucht
    Ab jetzt geht es nicht mehr um den eigenen Sieg, sondern nur mehr um die Vernichtung der Gegenseite.
  5. Undurchsichtiges Chaos

Die ersten beiden Stufen sind gut lösbar, bringen aber im stressigen Projektalltag bereits einiges an Mehraufwand mit sich. Wenn sich ein Konflikt in einen Wettstreit verwandelt hat, muss ich mit heftigen Auswirkungen auf meinen Zeitplan rechnen. Und ab Stufe vier muss ich die Konfliktparteien umgehend aus meinem Team entfernen, wenn ich mein Projekt nicht gegen die Wand klatschen sehen will.

Ein Überblick über Konfliktlösungsansätze #

Modelle zur Konfliktlösung gibt es wie Sand am Meer. Was alle gemeinsam haben, ist eine Deeskalation, gefolgt vom Versuch, die beiden Konfliktparteien zur Kommunikation zu bewegen. Das ist so schon schwer genug. Wenn ich dann aber noch mitten in einem Projekt stecke, wird das zu einer ordentlichen Herausforderung. Bei kleineren Projekten muss ich mir die Zeit dafür irgendiwe freischaufeln, in größeren Projekten muss ich gegebenenfalls Tätigkeiten delegieren. Und in einer Matrixstruktur - wohl das Biotop, in dem wir Projektarbeiter uns zur Zeit am häufigsten bewegen - habe ich auch noch die Führungskraft als Unterstützung. Das sollte ich unbedingt nutzen.

Die Strategie, die ich zur Konfliktlösung in meinem Team anwenden werde, hängt stark von den Positionen der beiden Konfliktparteien ab. Folgende Tabelle zeigt mir recht gut, in welche Richtung ich arbeiten und eine oder beide Parteien unterstützen sollte.

will nicht mitarbeitenwill mitarbeiten
kann sich durchsetzenZwang (win-lose)Zusammenarbeit (win-win)
kann sich nicht durchsetzenVermeidung (lose-lose)Nachgeben (lose-win)

Wer es gerne esoterisch mag, kann sich des Karpman drama triangles bedienen. Alle anderen sind beim Harvard-Konzept gut aufgehoben - sachbezogenes Verhandeln ist die Lösung. Ich muss früh beginnen, die beiden Konfliktparteien an einen Tisch zu setzen. Wortwörtlich, wo das räumlich möglich ist. Und ich muss schauen, dass beide die ursprüngliche Meinungsverschiedenheit von sich aus klären wollen. Das erfordert, dass sich jeder in die Situation des jeweils anderen hineinfühlen muss. Und das bedeutet wiederum, dass ich Konfliktpotentiale sehr früh erkennen und vor allem innerhalb des Teams kommunizieren muss.

Was bedeutet das also für eine Projektumgebung? #

Drei Sachen müssen uns allen klar sein:

  1. Konfliktlösung beginnt weit vor dem Eintreten eines Konfliktes.
  2. Konflikte verschwinden nicht von selbst.
  3. Konflikte betreffen nicht nur die anderen, sondern auch mich.

Das bedeutet also, dass ich als die Projektmanagerin, oder der Projektmanager einen Konflikt in den Moment angehen muss, in den er am Horizont auftaucht. Einerseits des Teamklimas wegen, andererseits, um den Projekterfolg nicht zu gefährden. Hier macht es sich wieder einmal bezahlt, wenn ich mit einem Ohr immer bei meinem Team oder meinen Teams bin.

Diese drei Punkte bedeuten aber vor allem eines: wenn ich ein Klima schaffe, in dem alle offen sprechen können, fange ich viele Konflikte ab, bevor sie überhaupt entstehen können. Und damit mache ich allen an einem Projekt beteiligen das Leben wesentlich leichter.

Vielen Dank für Deine Zeit! Du kannst den Artikel gerne teilen. Und ich freue mich immer, von Euch zu lesen. Bilder von Chris Sabor auf Unsplash.

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