Der Doppelhut

👋 Schön, dass Du hier bist! Bitte beachte, dass dieser Artikel bereits einige Jahre auf seinem Buckel hat. Seitdem haben sich nicht nur die Welt, sondern auch meine Wissenslücken, Erfahrungen und Ansichten geändert. Dennoch stehe ich hinter den Aussagen, die ich damals getätigt habe. Selbst dann, wenn ich sie mittlerweile anders tätigen würde. Bitte behalte dies beim Lesen im Hinterkopf. Danke. Und viel Vergnügen!

So ein Leben als Projektmanager ist nicht einfach. Vordergründig mögen wir nur eine Rolle haben, aber wir sind viel mehr als das, was auf dem Türschild vor unserem Büro steht. Wir sind Planer, Facilitatoren, Controller, Händchenhalter, Organisatoren, Mentoren, Moderatoren, Helfer, Impediment-Wegschaufler, Kümmerer, Verantwortliche, Servant Leaders, Menschen und oft auch Freunde.

Hüte Projektmanager

Von all diesen vielen Hüten, die wir PM aufhaben, stechen zwei ganz besonders hervor: auf dem einen steht "Projektmanager", auf dem anderen "Teammitglied".
Und diese beiden Hüte haben auch ein ganz besonderes Verhältnis zueinander. Denn sie markieren nicht nur unsere wichtigsten Rollen, sie stehen sich auch oft gegenseitig im Weg.

Sehen wir uns doch diese beiden unterschiedlichen Rollen genauer an #

Einerseits sind wir Teil des Managements. Wir beauftragen, wir kontrollieren, wir sind Abgesandte des Bösen. Andererseits sind wir Mitglieder des Projektteams. Wir feiern Erfolge mit, wir durchleben Tiefen gemeinsam, wir sind Teil der Familie.

Projektmanager... #

Als Projektmanager sind wir für die erfolgreiche Abwicklung von Projekten verantwortlich. Wir bereiten vor, wir planen, wir managen. Wir sind für das Controlling der Projekte zuständig. Und egal, ob wir Teil einer Funktionalen, Projekt-, oder Matrixorganisation sind, wir sind für die Mitarbeiter einer von "denen da oben". Auch und gerade wenn wir mitten im Teamraum sitzen.
Und auch als Scrum Master gehören wir irgendwie nie so richtig dazu. Das beginnt schon bei der formalen Definition - da gibt es das Team und eben dem Scrum Master. Da stehen wir vom ersten Moment an außerhalb.
Verstärkt wird das Ganze noch, weil Projektleiter und auch Scrum Master oftmals entweder die ersten oder die letzten sind, die zu einem Team kommen. Entweder die Gruppe bildet sich, oder sie hat sich bereits gebildet. Aber wir sind häufig irgendwie das fünfte Rad am Wagen.

..und Teammitglied #

Wenn wir alles richtig machen, dann sitzen wir mitten in unseren Teams. Zumindest gefühlt. Und bei verteilten Teams ist das nicht anders. Da ist zwar die räumliche Trennung, aber wir sind dafür die dicke Spinne, bei der mitten im Netz alle Informationen zusammenlaufen und der Maven, der diese Informationen an alle verteilt. Da sind wir eindeutig Teammitglied, ein Teil der Gruppe. Gerade bei längeren Projekten, beziehungsweise Teams, die bereits lange bestehen, gibt es zwischen Projektleiter oder Scrum Master und den Teammitgliedern eine besondere Bindung. Klar, man hat schon viel gemeinsam erlebt und durchgemacht. Sowas schweißt eine Gruppe Menschen zusammen.

Soweit so gut, aber wo stehen wir jetzt? #

Das sind also unsere beiden Hauptrollen in meinen Augen. Und keiner von uns ist nur das eine oder das andere. Wenn wir ein Meeting organisieren oder Kennzahlen einfordern, sind wir Teil des Managements. Wenn wir in der Teeküche zusammenstehen und über unsere Wochenenden reden oder gemeinsam einen Plan erarbeiten, sind wir Teil des Teams.
Und das erzeugt oft Konflikte. Weil die Grenzen eigentlich immer verschwommen und nie so 100% klar abgegrenzt sind. Mir ist das früher oft so gegangen. Man lacht gemeinsam und im nächsten Moment fragt man nach dem Fortschritt eines Arbeitspaketes, um ihn dokumentieren zu können. Im Alltag ist das die meiste Zeit friktionslos (zumindest solange man nett und höflich fragt). Aber in Stresssituationen oder formellen Momenten, führt das oft zu Unruhe. Klar, die Regeln sind nicht eindeutig. Sowohl für einen selber, als auch für die Menschen um einen herum. Da weiß man nie genau, ob eine saloppe Formulierung als unangebracht verstanden wird. Oder eine Korrektur viel zu streng erscheint.

Zwitterwesen #

Das ganze wird noch verschärft, wenn wir nicht nur Projektmanagementaufgaben wahrnehmen. Also quasi Teilzeitprojektleiter sind. So etwas erlebe ich oft in der agilen Softwareentwicklung. Da ist der Scrum Master nebenbei Entwickler. Oder der Entwickler nebenbei Scrum Master. Aber auch bei kleineren Firmen werden Projekte oft "halbtags" geleitet und geführt. In diesen Szenarien ist es für das Team noch schwerer, festzustellen, wer denn da jetzt gerade mit ihnen kommuniziert.

Aber wie sieht denn die Lösung nun aus? #

Es gibt ein Buch, das ich als Kind ganz besonders gern gelesen habe. Hörbe mit dem großen Hut von Otfried Preußler. Dort, in diesem Kinderbuch, findet sich die Lösung für unser Problem. Hörbe ist ein Hutzelmann aus dem Siebengiebelwald - einer von dreizehn. Und die Hutzelmänner haben etwas ganz besonderes: Doppelhüte. Einen Obendrüberhut, der vor Sonne und Regen schützt (und bei Nacht vor bösen Träumen). Und einen Untendrunterhut, der schön warm hält. Und für uns ist die Erkenntnis, dass wir alle so einen Doppelhut tragen, wahnsinnig wichtig. Dessen müssen wir uns stetig bewusst sein. Und wir sollten schauen, in den wichtigen Situationen nur einen der beiden Hüte zu tragen. Damit ist allen beteiligten klar, wer da gerade vor ihnen steht.

Kommunikation ist alles #

Auch hier - wie überall sonst - ist Kommunikation alles. Wir müssen unseren Teams ganz klar kommunizieren, wenn wir die Rolle wechseln. Wenn ich als Scrum Master während des Planning Meetings einen Einwand einbringen möchte, der nichts mit Scrummasterei zu tun hat, muss ich ein "Ich sage das jetzt als Teammitglied" voranstellen. Oder: "Ich nehme jetzt meine Scrum Master-Kappe ab".

Und auch umgekehrt. Wenn ich gerade mit Teammitgliedern am Wuzler (Kickertisch für meine deutschen Freunde) stehe und etwas Organisatorisches loswerden möchte, muss allen eindeutig klar sein, dass ich jetzt als Projektmanager rede und nicht als Teammitglied.

Die Mühen der Ebene und ihre Früchte #

Ja, das ist mühsam. Aber eine klare Kommunikation und Rollentrennung hat nicht nur den einen, eindeutigen Vorteil, dass Eure Teammitglieder immer wissen, welcher Hut da gerade zu ihnen spricht. Es hilft uns auch ganz gewaltig bei unserer täglichen Arbeit. Wenn wir uns selbst bewusst sind, welche Rolle wir gerade einnehmen, können wir unsere Arbeit viel klarer strukturieren und auch dokumentieren.

Wenn wir also in den bestimmten Situationen, in denen es stressig ist oder offiziell zugeht, die Rolle, die wir gerade einnehmen klar vor uns hertragen, erleichtern wir nicht nur den Menschen um uns herum, sondern auch uns ganz gewaltig das Leben. Und ich weiß, dieses laute Aussprechen, wer wir gerade sind, ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig. Aber es macht sich sehr bezahlt.

Vielen Dank für Deine Zeit! Du kannst den Artikel gerne teilen. Und ich freue mich immer, von Euch zu lesen. Bilder von JOSHUA COLEMAN auf Unsplash.

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